Hommage an eine gute Freundin - oder wie ich "Thermi" verlor
Als Kletterer oder
Bergsteiger entwickelt man ja zu seinen Ausrüstungsgegenständen eine gewisse
Affinität. Ganz oben in der Beziehungsskala dürften da neben Klettergurt,
Kletterschuhen auch Schlingen und Seile stehen. Aber nicht bei mir, da ist es
anders. Ja sogar ganz anders, mein liebster Gegenstand mit dem ich zum Klettern
gehe, ist meine Thermoskanne. Sie liegt in der Beliebtheit noch vor Hängematte,
Bierflasche, meiner 5 mm Kevlarschlinge, Spatel, Kind und Ehefrau.
Ja, um es gleich zu
gestehen, eigentlich ist es gar nicht meine Thermoskanne, sondern wurde vom
meiner Frau in die Ehe, also ins gemeinschaftliche Eigentum, gebracht.
Ja, sie war ein
Schmuckstück: Edelstahl, Noname,1 Liter fassend, glänzend einfach zum Verlieben.
So sah ich sie das erste Mal auf dem Balkon, mit Kaffee gefüllt in der
Frühlingssonne glänzend und ich durfte mich aus ihr bedienen. Es war Liebe auf
den ersten Schluck.
Dieses
Schmuckstück
kaufte meine Frau, als Schnäppchen Ende des letzten Jahrtausends,
bergfern bei IKEA in Wiesbaden. So stand ihr eine trostlose Zukunft als Kaffeekanne bevor. Nie würde sie frische
Bergluft schnuppern können, nie würde sie mit Moos und Pilzen um die Wette
duften dürfen, sondern müsste ihr Dasein in stickigen Räumen oder höchstens auf
dem Balkon oder Terrasse verbringen.
Aber dann lernten wir uns
kennen. Nach zögerlichen Anfängen als Kletterthermoskanne in der Pfalz lernte
„Thermi“ bald die großen Felsen in der Sächsischen Schweiz kennen und lieben.
Sie stand auf dem Falken- und Heringstein, in Schmilka auf dem Großen
Winterberg und in Tissa unterm Januskopf. Viele Bergfreunde wurden aus ihr
bedient und sie lebte richtig auf, als sie ihre ersten Kratzer bekam. Schon
bald wurde sie, nun mit ausreichender Erfahrung und vor Nutzungsdauer, mit in
die hohen Berge genommen. Mit einiger Überredungskunst durfte ich sie mit in
die Cordillera Blanca nach Peru tragen. Dort erreichte sie Höhen über 5000
Meter und spendete mir Trost und Tee auch in den schweren Stunden, als ich mit
einem Infekt darnieder lag und mich nur noch fast ausschließlich von Tee
ernähren konnte.
Im Jahr 2006 auf der Hohen Tour
war sie mir eine Stütze und Last. Erst unterm Schneeberg versagte sie, mangels
Inhalt, ihren Dienst.
Mit den Jahren wurde sie,
bis auf gelegentliche winterliche Einsätze, wenig genutzt. Wir hatten uns
auseinandergelebt und vermissten uns dabei noch nicht einmal.
Auch als sie ihren ersten
Sturz erlebte - sie wurde von einem Bergfreund, ja ich nenne keine Namen,
Doktore!, beim Glühweintrinken den Hang hinabgestoßen - war ich emotional wenig
getroffen. Da wog der Glühweinverlust schwerer.
Das änderte sich erst,
als wir nach dem Umzug nach Franken, bei herben Minusgraden, „Thermi“ mit auf
den Höhenglücksteig nahmen. Bei einer Pause auf der Brücke im Klettersteig
stellten wir „Thermi“ auf dem Geländer ab und dann passierte es: eine
unachtsame Bewegung, und „Thermi“ stürzte kopfüber in die Tiefe. Wir konnten
ihr nur wortlos und erschrocken nachschauen, als sie nach einem kurzen
Schlittern hinter der Felskante verschwand. Erschüttert sahen wir uns an, mit
Tränen in den Augen: würden wir sie wiedersehen? Hatte sie es überlebt???
Schnell beendeten wir den Klettersteig und rannten zur Absturzstelle. Dort lag
sie, völlig zerbeult, doch Kurtis Grabschmuck hatte ihren Sturz gebremst. Es
war trauriger Anblick, aber nach kurzer Überprüfung konnte ich ihr Überleben
feststellen. Ja, sie funktionierte noch, sogar ihr Deckel ließ sich problemlos
schrauben!
Abends wurden wir dann
getrennt, meine Frau entriss sie mir und wollte sie mir unter keinen Umständen
wiedergeben. Ja, wir waren getrennt. Ich hatte es nicht anders verdient.
Traurigkeit machte sich breit und nur manchmal kann ich „Thermi“ heimlich aus
den Schrank nehmen und streicheln. Noch hoffe ich darauf, dass ich sie eines
Tages wieder mitnehmen darf.
Alma
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