Teufelsturm
Am 15.August 1993 trafen sich Mulle, Bee Gee, Cäpt’n,
Annett und ich in Senftenberg. Gemeinsam ging es dann nach Schmilka. Nachdem wir
das Auto an der Elbe abgestellt hatten, begannen wir mit dem Aufstieg durch die
Breite-Kluft-Schlucht. Das Wetter war herrlich und wir bei guter Laune. Nach
einer dreiviertelstündigen Wanderung hatten wir - von einer Lichtung aus - den
ersten Blickkontakt mit "unserem" Gipfel. Es war schon beeindruckend,
wie majestätisch er über dem Elbtal steht. Der Anblick machte mich schwach und
so begab ich mich erst einmal, mit der Papierrolle in der Hand, hinter den nächsten
Baum. Bee Gee machte dumme Witze und blätterte im Kletterführer. Er suchte
bereits andere Ziele heraus, denn er war nicht der Meinung, dass der
"Teufel" zu bezwingen ist. Nach kurzer Pause stiegen wir weiter auf.
Vom Fuße des Gipfels aus entdeckten wir in den glatten Wänden viele Ringe, an
den unmöglichsten Stellen. Über eine enge, hautabschürfende
Wildschweinschlucht wühlten wir uns auf das Massiv. Bee Gee freute sich, denn
er hatte den Weg extra für uns ausfindig gemacht. Nun konnten wir vom Massiv
aus unser Ziel besser betrachten und beurteilen. Wir waren uns einig, die Sache
ist mächtig gewaltig. Mulle schob sich noch schnell eine Schnitte rein und ich
griff zittrig zur Trinkflasche. Dann begaben wir uns in die Scharte. Bee Gee
hatte mich vom Massiv aus in die Schwebesicherung genommen, weil es auf den
ersten paar Metern keine Sicherungsmöglichkeit gab. Durch die Scharte fegte ein
mächtiger Wind, so dass wir Bee Gee auf dem Massiv nur mit Mühe verstanden.
Mulle baute die Sicherung. Nun betrachtete ich die ersten Griffe und Tritte
unseres Weges genauer und musste feststellen, dass da eigentlich fast gar nichts
zum Greifen und Treten war. Jetzt wurde mir zum ersten Mal in dieser Saison
etwas anders zumute. "Aber es wird schon klappen.", dachte ich so bei
mir. Die Erstbesteiger unterstützten damals in der Scharte, aber ich wollte es
erst einmal so versuchen. Nach kurzem Probieren hob ich ab und konnte den
rechten Fuß auf einer abgetretenen Leiste platzieren. Für den linken Fuß fand
ich nichts, also trat ich erst einmal gegen die Kante. Die Fingerspitzen meiner
rechten Hand lagen auf einer kleinen sandigen Wölbung. Für die linke Hand fand
ich nichts. Ich stand sehr wackelig und hatte etwas "Nähmaschine".
"Wenn ich jetzt nicht uncool genug bleibe, dann geht’s runter!",
dachte ich. Aber im Prinzip konnte ja nichts passieren, da das Seil noch von
oben kam. Irgendwie schaffte ich es dann doch, mich etwas hochzudrücken und
einen kleinen Griff zu erreichen. Mit dessen Hilfe konnte ich mich weiter
hocharbeiten. Oh Mann, "Halt die Axt!", war schon nicht ganz ohne. Nun
erreichte ich auch den schrägen Risseinschnitt, in dem wieder etwas bessere
Griffe steckten. Nach drei kräftigen Zügen war ich an der Stelle der Kante,
auf der Oliver Perry Smith - der Erstbesteiger - rittlings gesessen hat. Zu
solchen Späßen war mir allerdings nicht zumute. Mit der linken Hand
warf ich über den Kopf eine Knotenschlinge um die Kante in den schrägen Riss,
der bis hinauf zum Gipfel führte. "Hält super, nur noch schnell Karabiner
und Seil einhängen.", dachte ich. Meine rechte Hand wanderte nun weiter
nach links um die Kante. Die linke ließ ich los, so dass ich akrobatisch
wegpendelte. Der Riss ließ sich jetzt super als Hangel klettern. Dann erreichte
ich die Stelle, an der der schräge Riss senkrecht aufsteigt und etwas breiter
wird. An dieser Stelle konnte ich noch eine Sanduhr- und eine Knotenschlinge
legen. Bevor ich weiterstieg, ging ich aus der Schwebesicherung. Der
senkrechte Risseinstieg ist etwas überhängend, stellte für mich aber kein
Problem mehr dar. Nach ein paar Zügen stand ich auf dem Gipfel und ein satter
Brüller ging durch das Elbtal. Anschließend machte ich die Sicherung für
Mulle fertig. Bee Gee schien nicht so glücklich, denn ihn hatte der Mut schon
verlassen. Erst nachdem ihm alle gut zugeredet hatten, begab er sich in die
Scharte. Inzwischen hing Mulle schon in der Wand und erreichte nach kurzer Zeit,
fast problemlos, den Gipfel. Etwas später stand auch Bee Gee - zwar etwas abgekämpft,
aber glücklich - neben uns auf dem Teufelsturm. Annett und Cäpt’n
fotografierten vom Massiv aus fleißig. Wir machten eine kurze Gipfelrast und
genossen das Gefühl, den "Teufel" besiegt zu haben. Belohnt wurden
unsere Mühen mit einem herrlichen Blick ins Elbtal. Nach der Eintragung ins
Gipfelbuch seilten wir uns wieder ab. Inzwischen war es mächtig heiß geworden
und die Sonne brannte unermüdlich. Als nächstes Ziel hatten wir uns den
Juliweg am Klimmerstein ausgesucht. Eine V mit Sternchen, aber nach meiner
Meinung für den Vorsteiger sehr ungesichert und nicht zu empfehlen. Ich stieg
vor und holte Mulle, Annett, Cäpt’n und Bee Gee nach. Nun war auch Cäpt'n
mit diesem Tag zufrieden, denn es war für ihn die erste V. Die Hitze war
inzwischen unerträglich geworden, so dass wir beschlossen, den Tag bei einem kühlen
Bier ausklingen zu lassen. So endete für uns eine Klettertour, die wir nicht so
schnell vergessen werden.