Heißer Schnee im Mai
Das Ereignis, um das es hier geht,
liegt schon einige Jahre zurück. Ein würdiger Platz in der Geschichte eines
Sebnitzer Klubs ist ihm aber sicher. In jener Zeit war noch nicht bekannt, daß
vom bloßen Gedanken an Klettern bei Schnee und Eis ganze Felsregionen einstürzen
können. Aber auch manch anderes kann passieren...
Nichts Böses ahnend machten sich sechs
Sebnitzer
Kletterer auf zum Heringstein, um ihn über den Alten Weg zu besteigen. Es war
bereits Mai, aber es lag noch Schnee. Um der Kälte zu trotzen wurde zunächst
unter einem Überhang links der Südwestkante ein Feuer entfacht. Lutz, er hatte
an diesem Tage keine Lust zum Klettern, erbot sich, es zu unterhalten, der Rest
zog los in Richtung Gipfel.
Das Unternehmen dauerte eine ganze
Weile, für Lutz ein Grund, noch einmal kräftig nachzulegen und dann den
Freunden entgegenzugehen. Die hatten es nicht einmal besonders eilig, zum Feuer
zurückzukehren, das mit einer starken Rauchsäule wohlige Wärme versprach. Sie
sahen sich interessiert noch einige Wege für die neue Klettersaison an. Als
Gerd dann als erster am Feuer anlangte, traute er seinen Augen nicht: Die
gesamte zurückgelassene Ausrüstung war verbrannt: die Wegsachen mit Geld und
Ausweisen, ein neues Kletterseil, Schuhe... Die Karabiner waren ausgeglüht. Von
den Rucksäcken standen nur noch die Tragegestelle da. Der Kletterführer schien
unversehrt zu sein, zerfiel aber bei Berührung zu Asche.
Ungeschoren davon kam nur Günter, der
wegen gewisser Meinungsverschiedenheiten an dem Tage ein separates Feuer ein Stück
entfernt unterhalten hatte. Glück im Unglück hatte Alfred, der seine Sachen
unter dem Kletterzeug anbehalten hatte, ihm blieben so auch Geld und Ausweis
erhalten.
Ein schwerer Gang führte am
Nachmittag zwei Betroffene zum gestrengen Klubvorstand. Die berichteten
wahrheitsgemäß: “Roland, wir sind abgebrannt.” Der fragte erregt zurück:
“Was, die Hütte?!” Wenigstens dahingehend konnten sie ihn beruhigen.
Per Motorrad gings danach zur
Inspizierung des Schauplatzes. Retten ließ sich allerdings kaum etwas, nur die
Fischkonserven waren noch zu genießen. Es blieb lediglich übrig, Fotos zum
Dokumentieren des Geschehens anzufertigen.
Ein Nachspiel hatte die Sache noch: Auf
der Sektionsversammlung wurde ein strenger Verweis ausgesprochen, das verbrannte
Seil war Sektionseigentum und erst vier Wochen alt.
Es dauerte geraume Zeit, bis die Verluste dieses Tages, teilweise vom schmalen Lehrlingsgeld, ersetzt werden konnten. Gerds Nagelschuhe, ehemals sein ganzer Stolz, hängen noch heute an der Klubhütte und halten die Erinnerung an ein einschneidendes Klubereignis wach.
Christian Glaser