Punktlandung
Nachdem wir in den
Siebzigern erstmalig einen für uns neuen Sechsergipfel in der Schrammsteinkette
bestiegen hatten, entdeckte unser leider viel zu früh tödlich verunglückter
Bergkamerad Frank B. eine neue Herausforderung, eine Sprung-Erstbegehung.
Neugierig begleitete ich ihn auf ein benachbartes Massiv. Stolz zeigte er mir
seinen Plan, der bei mir allerdings nur völlige Fassungslosigkeit hervorrief.
Von einem abschüssigen Tritt von der Größe einer Brotscheibe wollte er einen
sehr weiten, anlauflosen Sprung an eine zu allem Unglück auch noch höher
gelegene, feine Rippe am Gipfel wagen, von der ich übrigens kein Weiterkommen
sah. Da ich nicht selbst hopsen sollte, war es mir aber letztlich insgesamt doch
relativ gleichgültig und ich versprach, wenigstens erst mal ein aufmerksamer
Sicherungsmann zu sein. Wir holten unsere damals sehr vertrauenserweckenden,
aufgedrieselten, spiralgeflochtenen Zehnerseile, die zwar nicht viel hielten,
aber dafür schön mutzlig-kuschelig waren und recht elastisch. Da man sich zu
dieser Zeit noch ohne Gurt direkt in`s Seil einband, waren Stürze immer ein
bleibendes Erlebnis und mit vielfarbigen aber vergänglichen Tatoos unter den
Achseln und am Brustkorb verbunden, wobei der künstlerische Wert derselben
recht bescheiden war.
Ich band mich an einer Birke fest und bereitete die Sicherung vor.
Frank wickelte sich einen Pullover um den Kopf und begab sich zum Absprung. Ich
gab ein paar Meter Seil aus und es dauerte nicht lange, bis Frank durch die Luft
flog. Etwa einen Meter unter der anvisierten Rippe klatschte er drüben am
Gipfel mit ausgestreckten Armen an die Wand, blieb Sekundenbruchteile an der völlig
glatten Wand kleben um dann mit einem "rtttsch" in der Schlucht unter
mir zu verschwinden. Ich bekam einen gewaltigen Ruck und faßte instinktiv
hinter mich an den Stamm der Birke. Dieser faßte sich aber gar nicht wie Holz
an, sondern ich hatte die Beine von Ebs erwischt, der ungesichert hinter mir
stand. Als ich aufblickte, wankte der Kamerad noch bedenklich, denn ich hätte
ihn Frank fast hinterhergeschickt. Aus den Tiefen der Schlucht tönte es plötzlich
herauf: "Scheiße, knapp verfehlt!" Einen weiteren Versuch gab es
nicht.
Cleo