Ächzend
und stöhnend schob sich der Frühzug aus der Bahnhofshalle. In eilender Fahrt
ging es fort, hinein in den taufrischen Morgen. Wogende Nebelmassen stiegen aus
dem Tale auf, alles mit einem grauen undurchdringlichen Schleier bedeckend. Dann
und wann tauchten vereinzelt stehende Häuser aus dem grauen Dunst auf, um
gleich darauf wieder zu verschwinden. In unverminderter Schnelligkeit raste der
Zug dahin. Zwei Stationen waren bereits zurückgelegt; die dritte tauchte auf:
Rathen! Jäh setzten die Bremsen ein, der Zug hielt. Aus allen Abteilen stiegen
Menschen mit lachenden Gesichtern, größtenteils einen Rucksack auf dem Rücken,
welcher, dem Umfang nach zu schließen, nicht allzu leicht sein mochte. Der Fährmann
hatte vollauf zu tun, um all diese Menschen nach dem jenseitigen Ufer zu befördern.
Ruhig zog die Rattenfähre ihren Weg durch die Fluten; das Drahtseil ächzte und
knarrte unwillig über die Last, die es zu halten hatte. Noch immer wogte der
Nebel, immer dichter ballte er sich zusammen. Vergeblich suchte sich die Sonne
einen Weg durch die graue Wand zu bahnen. Es war ein harter Kampf, aber zuletzt
blieb die Sonne doch Sieger. Mit Macht drangen die Sonnenstrahlen durch,
huschten hierhin und dorthin, an Baum und Strauch blieben sie haften und dann
war alles von warmer goldener Morgensonne erfüllt.
Auf
schmalen Pfade, welcher nach dem Raaber Kessel führt, schritten in angenehmer
Unterhaltung wir fünf mit dem Zug Angekommenen dahin, zwei waren Damen. Am
Eingang des Raaber Kessels bogen sie in denselben ein. Von goldener Morgensonne
umhüllt grüßte die Höllenhundspitze zu ihnen herab. Da machten sie Halt und
auf einem sonnigen Plätzchen ließen sie sich nieder. Die Rucksäcke wurden
abgeschnallt und ausgepackt. Der Inhalt, welcher jetzt zum Vorschein kam, hätte
wohl bei den Uneingeweihten ein Kopfschütteln erregt. Es waren alte, zerrissene
Sachen, welche jede Hausfrau unbedenklich in den Lumpensack gesteckt haben würde.
Und dann ein Seil. Sorgsam wurde es beiseite gelegt. Doch auch der innere Mensch
wurde nicht vergessen und aus den schier unergründlichen Tiefen des Rucksackes
das einfache Frühstück hervorgeholt und mit Behagen verzehrt. Aus den Blicken
zu schließen, welche öfters nach der Höllenhundspitze hinaufglitten, schien
sich die Unterhaltung um dieselbe zu drehen. Plötzlich wurden Schritte hörbar
und bald gesellten sich zwei weitere rucksackbeschwerte Gestalten hinzu, welche
von den Anwesenden herzlich begrüßt wurden. Sie legten ebenfalls ihre Rucksäcke
ab und ließen sich neben den anderen nieder. Auch sie entnahmen ihrem Rucksack
alte geflickte Sachen, die sie unverzüglich angezogen, welchem Beispiel auch
die anderen folgten und nun glichen sie jenen fragwürdigen Gestalten, denen
man, wenn man ihnen abends auf der Straße begegnet, scheu aus dem Wege geht.
Die Seile wurden aufgehockt und bald waren alle im Dickicht verschwunden. Nur
ein Vöglein flatterte von Stein zu Stein, die Brotsamen aufpickend. Es hatte
gar keine Angst und schien zu wissen, daß ihm diese Menschen nichts zu leide
taten; es schien auch zu wissen, was es für Menschen waren:
Kletterer!
Mit
langen Blicken musterte W. die Westseite der Höllenhundspitze, an welcher der
A.=R.=W.= Weg zur Höhe führt. Ein Riß, welcher sich mitten in der Westwand
befand, bildete den Anstieg. W. seilte sich an. Mühelos arbeitete er sich
einige Meter in dem Riß empor. Jetzt war er vor einer engen überhängenden
Stelle des Risses angelangt. Umsonst suchte er nach einem Griff, nichts zu
finden. Nach einigen Minuten anstrengender Arbeit gab er es auf und stieg zurück.
Noch einmal wurde es versucht. Jetzt verklemmte er sich mit der linken Seite im
Riß. Wieder war die enge Stelle erreicht. Fieberhaft arbeitete er. Da – ganz
im Riß verborgen schien ein Griff zu sein, jetzt hatte er Halt gefunden. Nun
ein kurzes Anziehen, ein Stemmen und jäh schwang sich der Körper aus dem Riß
heraus, mit der rechten Hand höher greifend – es war geschafft. Aufatmend
blieb er eine Weile stehen, dann ging es weiter, einige Meter empor bis zum Ende
des Risses. Hier legte er eine Seilschlinge. Nun den Riß empor bis zum
Sicherungsring. Jetzt konnte B. nachkommen und nach geraumer Zeit war auch er am
Ring. W. stieg weiter. Ein etwa 6 Meter langer Quergang führte nach links bis
ziemlich zur Kante. Von hier aus stieg er über ein Stück fast grifflose Wand
zu dem Einstieg in einem weiterem Riß und in diesem empor zu einem Felsabsatz,
welcher sich an der Vorderseite der Höllenhundspitze befand. Hier konnte er
sich bequem hinsetzen. Das Schwerste war jetzt überwunden und der Zweite konnte
nachkommen. Schnell hatte sich B., der noch am Ringe war, fertig gemacht und
stieg an. Gut und sicher überwandt auch er den Quergang sowie den weiteren Weg
und war in kurzer Zeit an der Seite W.
Mit
Spannung hatte ich den beiden Steigern zugesehen und konnte nun auch anfangen.
Angeseilt begann ich den Anstieg; wie W., so erging es auch mir: die enge, überhängende
Stelle machte mir viel zu schaffen. Aber ich überwandt es doch, löste die
Seilschlinge aus der Sanduhr und war bald am Ring. Hier ruhte ich mich ein
Weilchen aus, denn es war anstrengend gewesen, aber doch eine schöne, herrliche
Kletterei. Lange hielt ich mich nicht auf. Bald war der Quergang hinter mir und
ich konnte schon meine Gefährten sehen, welche mir aufmunternd zunickten. Nach
kurzer Anstrengung war ich bei ihnen und konnte ausruhen.
W.
hatte sich inzwischen schon fertig gemacht. Der Weg führte wieder in die
Westwand hinaus. W. war bald unseren Blicken entschwunden, nur das nachziehende
Seil belehrte uns, dass er weiter stieg. Minuten verflossen – da tönte ein
Gruß vom Gipfel. Er hatte es geschafft. Nun ging es rasch weiter und bald
hatten auch wir zwei den Gipfel erreicht. Gemeinsam studierten wir das
Gipfelbuch. Die 13. Begehung des .......... Weges konnten wir eintragen.
Verwundert sahen wir uns an. Wie war das möglich? Im Jahre 1914 wurde der Weg
durchgeführt und heute schrieben wir das Jahr 1922 und erst 13 Begehungen. War
der Weg zu unbekannt oder fürchteten sich viele vor der Risskletterei? In
beiden Fällen sollen meine Zeilen dazu beitragen, dem ..........Weg, welcher
eine so schöne Kletterei aufweist, an die der Kletterer sein ganzes Können,
seine ganze Geschicklichkeit setzen kann, einige Freunde mehr zuzuführen. –In
beschaulicher Ruhe hielten wir Gipfelrast. Eine prächtige Fernsicht bot sich
uns. Vor uns lag der Talwächter, auf welchem ebenfalls Kletterer Gipfelruhe
hielten. Hinter ihm der Gamrig und weiter hinten in nebelhafter Ferne grüßten
die Schrammsteine zu und herüber. Lange saßen wir da, in den schönen Anblick
versunken, doch dann mahnte und der Magen zum Abstieg.
Freudig
wurden wir von den Zurückgebliebenen begrüßt, der nagende Hunger gestillt.
Dann nahm W. ein Seil, um mit Sportfreund H. dem Raaber Turm noch einen Besuch
abzustatten. Stunden waren vergangen, alles rüstete zum Aufbruch. Noch einmal
glitten die Blicke grüßend zur Höllenhundspitze. Als wir dann im traulichen
Stübchen des Kaffee „Zum sonnigen Eck“ saßen tauschten wir noch einmal
Erinnerungen über den verflossenen Tag aus und immer wieder schweiften unsere
Gedanken zur Höllenhundspitze, zum........Weg, an welchem wir eine so schöne
Kletterei erleben durften.