Wie
man mit dem Klettern anfängt.
Kennt
ihr Zittau? Zittau ist eine schöne Stadt im Fernen Osten Deutschlands. Früher,
als in Berlin noch der Erich der Chef war, war Deutschland zwar noch nicht ganz
so groß, aber Zittau war trotzdem schon im Fernen Osten. Macht aber nichts, ist
ja eh kaum jemand hingekommen.
Damals
hat der Erich in Berlin hat zu mir gesagt: Hör mal gut zu, ich will, dass du
nach Zittau fährst. Hab ich nicht verstanden und gemault: ich kenn doch dort
niemanden. Macht nichts, hat der Erich da gesagt, da gibt’s ne schöne große
Kaserne, da kennt niemand niemanden, und da schicke ich noch viele Jungs wie
dich hin. Punkt.
Bin
ich also hingefahren. Und damit ich auch den Weg finde, hat der Erich mir ein
paar Jungs mit grauen Mützen, Lametta an der Jacke und Flinte über der
Schulter entgegengeschickt, damit ich auch unterwegs nicht doch wieder nach
Hause fahre. Ich war nämlich gar nicht froh, dass ich dorthin fahren musste.
Hat den Erich aber nicht interessiert, denn nun war er ja froh.
Aber
weil ich dort so traurig war, hat einer von Erichs Stellvertretern mit besonders
viel Lametta an der Jacke gesagt: Hör mal zu, du darfst aus der Kaserne raus,
wenn du viel trainierst und bei Wettkämpfen schöne Blumentöpfe für mich
gewinnst. Es standen auch schon ein paar Blumentöpfe bei dem Stellvertreter im
Zimmer, aber er wollte wohl immer mehr haben. Ist ja auch gut so. Und da durfte
ich dann im Trainingsanzug aus der Kaserne ’rausflitzen und bin jeden Tag
viele Kilometer durchs Zittauer Gebirge gerannt. Da war ich dann wieder froh,
weil mich der Erich dort nicht sehen konnte, und seine Stellvertreter mit Flinte
und Lametta auch nicht.
Als
ich dann mal fertig mit dem Rennen war, stand dort am Weg ein Felsen. Hm, toll,
hab ich gedacht, das ist ja wirklich ein schöner hoher Felsen. So 20 Meter
etwa. Richtige Bergsteiger, solche wie der Reinhold Messner, können da bestimmt
hochklettern. Ich hatte vom Bergsteigen aber überhaupt keine Ahnung. Macht aber
nichts, denn nur wer keine Ahnung von irgendwas hat und nicht ganz klar im Kopf
ist kann ein Bergsteiger werden. Ich hab mir dann gedacht, dass ich da gern mal
hochklettern würde. Hab ich mir aber nicht getraut, denn manchmal kommt man ja
beim Klettern nicht mehr hoch, aber erst recht nicht wieder runter. Und wenn ich
da um Hilfe rufe oder abstürze, dann merken das der Erich oder seine
Stellvertreter irgendwann, und die werden dann böse. Ist ja auch ganz klar,
denn wenn einer lieber abstürzt anstatt fürs Vaterland zu kämpfen, dann
finden die das doof.
Weil
aber runterklettern schwerer ist als hochklettern, da hab ich gedacht, ich
klettere einfach den Felsen von oben runter. Wenn ich dann nicht mehr
weiterkomme, dann würde ich halt einfach wieder hochklettern. Wenn doch was
passiert, dann finden das der Erich und seine Stellvertreter zwar doof, aber das
wäre mir dann egal gewesen weil ich tot wäre. Da bin ich dann also hinten um
den Felsen herumgegangen und über einen ganz leichten Zugang zum Gipfel
gekommen. Und dann hab ich die Rinne gesucht, die ich von unten schon gesehen
hatte und bin die ganz langsam und vorsichtig heruntergeklettert. Das ging auch
alles gut, nur irgendwann stand ich auf einem Absatz wo’s nach unten nicht
mehr weiterging. War aber nicht schlimm, denn ich hätte ja wieder hochgehen können.
Brauchte ich aber nicht, denn um der Absatz ging links die Ecke weiter, und ich
kam dann immer weiter runter, und der Wandfuß kam immer weiter hoch. Und
irgendwann bin ich auf dem Bauch die letzten Meter hinuntergerutscht. Bis auf
die Erde. Da war ich froh, weil ich nun doch die Wand beklettert hatte.
Neulich
habe ich eine Wanderkarte vom Zittauer Gebirge gesehen. Eine richtig gute Karte
war das, die hat ein pfiffiger Onkel aus Bad Schandau gemalt. Da hab ich dann
gesehen, dass der Felsen, den ich runtergeklettert bin, sogar einen Namen hat.
Hussitenriff heißt er. Da war ich mächtig stolz. Und ich weiß inzwischen
auch, dass mein Abstieg einen Namen hat: „Diagonale“ heißt er. Das war ich
noch viel stolzer. Und dann bin ich mit dem Alex hingefahren und bin dort wieder
geklettert. Denn der Alex hat, genau wie ich, von nichts eine Ahnung, und
deshalb sind wir beide auch Bergsteiger. Hat der Alex noch gemault, das wär ja
gar kein richtiger Gipfel sondern, nur ’ne Massivwand. War mit aber egal, und
dem Alex dann auch, denn es gab Bier und das Klettern dort ist einfach toll. Da
warn wir beide froh.
Stefan Holz