Am Schiefen Tod
Den
„Schiefen Tod“ gibt es im Elbsandsteingebirge gleich zweimal. Einmal
„Peppos“ legendären Hangelriß am Schwarzen Horn und zum anderen den
Schiefen Tod am Einsiedler. Beim ersteren grinst Dir meines Erachtens der Tod
kurz vor dem 2. Ring wirklich entgegen (um Gottes Willen nicht mehr loslassen!),
beim zweiten müsste die Sicherung freilich reichen. Meines Wissens war hier „Jo-Scho“
der
erste „Versucher“, aber
erst Helfried Hering gelang die Premiere.
Sei es
wie es sei- auch ich kann mir ein Bild machen. Am Schwarzen Horn hatte ich das
Glück mit Dieter Rülker eine Begehung zu absolvieren (bei der ich im Vorstieg
wohl vor Angst gestorben wäre); und am Einsiedler stieg ich zwar vor, kam aber
nicht weit über den 1.Ring hinaus. Dann verließ mich der Mut und ich legte den
Rückwärtsgang ein. Ich denke, ich war der Sache in erster Linie mental nicht
gewachsen. Dort konnte nur ein vorwärts Kämpfen zum Erfolg führen und ein
verharren musste ein schnelles physisches Versagen auslösen. Ein Sturz ins Seil
war also folgerichtig und die Hände sahen aus wie gepöckeltes Fleisch. Aber
wir waren damals eine gute Truppe und es gab noch weitere Anwärter, an die ich
mich bestens erinnere. Apropos erinnern! Unseren Versuch am Einsiedler habe ich
immer wieder erzählt, aber nie aufgeschrieben. Erst jetzt im Alter, also aus
der Erinnerung heraus, will ich das tun.
Damals?
Wann war das überhaupt- und wer war wirklich dabei?
Hoffentlich zeigen sich in meinem verkalkten Gehirn nicht schon zu viele
Lücken. Aber was soll‘s?
Eigentlich
lebt die Geschichte ja von ihrem Hauptakteur „Dieter List“...
und alles andere ist weniger wichtig.
Damals...,
das war auf alle Fälle vor 1974 und neben Dieter waren wohl Günter Röthig,
Manfred Vogel und Armin Börner mit von der Partie. Nach meinem kläglichen
Versuch stieg „Rißprofi“ Dieter List an. Aber er hatte wohl keinen guten
Tag. Zu unserem Erstaunen bekam er schon vor dem 1.Ring Probleme.... und dann
geschah die folgende Geschichte:
Dieter
stand unmittelbar vor dem Ring, konnte aber keine Hand mehr loslassen um einzuhängen.
Irgendwo rechts, hatte er eine Knotenschlinge gelegt, vielleicht auch etwas
weiter unten. Ich kann es beim besten Willen nicht mehr sagen. Aber ich weiß
noch genau, dass ich ihn sicherte... und er mir zurief, ich solle ihn abziehen.
Damals war es durchaus noch nicht üblich, wie beim Sportklettern, einfach weg
zu springen. Stürzen galt beinahe als Schande. Wie auch immer- Dieter hatte
offensichtlich Angst los zu lassen- und übertrug die Verantwortung mir. „Zieh
mich ab“ brüllte er immer wieder - und hielt sich um so verkrampfter fest.
Schließlich dachte ich mir, des Menschen Willen ist sein Himmelreich,... griff
so hoch wie möglich in das Sicherungsseil, zog die Beine an... und schwang wie
Quasimodo am Glockenstrang durch die Luft. Es passierte nichts - denn Dieter
hielt sich verzweifelt fest. Erst als auch die anderen mit ins Seil griffen, kam
er wie ein Adler nach unten geschossen. Die Schlinge lag wohl doch tiefer, als
wir dachten. Einen Moment hatte ich das Gefühl ein „Stuka“
(Sturzkampfflieger) rammt in die Erde. Doch es fehlten am Ende etwa 10cm zum
Bodenkontakt, als das Seil endlich hielt und die maximale Dehnung erreichte.
Durch das Wegziehen vom Fels, verlief der Sturz natürlich nicht senkrecht und
Dieter hatte nun noch das Bestreben ins Lot zu kommen. Aber an diesem Punkt
stand schon einer..., nämlich ich, als Sicherungsmann. Zwar versuchte ich im
letzten Moment auszuweichen, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern, aber
Dieters Arme schwangen wie Dreschflegel durch die Luft und so traf mich eine
Faust direkt ins Gesicht. Dieser Schlag war so heftig, dass Oberlippe und
Wangenpartie „belzern“ waren und ich wie von einem Dampfhammer getroffen zu
Boden ging.
Nun muss
man wissen, dass Dieter als Lehrer stets äußerst sensibel und vornehmen war.
Dem entsprechend begann er sich sofort zu entschuldigen. „Oh, Peter... das
wollte ich wirklich nicht“. Mir machte es aber nun Spaß, die Entschuldigung
nicht anzunehmen. Entrüstet behauptete ich genau gesehen zu haben, wie er
ausgeholt habe. „Das denkst Du doch nicht wirklich“, war er bestürzt. Nun
fingen auch die anderen noch mit an, ihn zu fragen, was er gegen mich habe.
Alles in allem ein köstlicher Spaß, an den ich mich gerne erinnere.
Beinahe
hätte uns Günther dann doch noch
den
„Schiefen Tod“ beschert. Er fiel erst wenige Zentimeter vor dem 2. Ring vor
Lachen vom Fels, weil wir seinen Versuch wie Sportreporter mit heiserer,
dramatischer Stimme und überaus hektisch kommentierten. Es war eben ein Tag,
der unter Ulk zu verbuchen war..., und dennoch für immer in unser Gedächtnis
geschrieben.
Erst Jahrzehnte später habe ich übrigens erfahren, dass Dieter schon wenig später doch noch den Schiefen Tod gemeistert hatte und sich die 5.Begehung darauf sichern konnte.
Peter
Hähnel